Gewerbeblatt für den Schwarzwald, III. Jahrgang No.19. Furtwangen, den 10. Septbr. 1854
Die Uhrenfabrikation in Morez.
"Wir haben kürzlich im Interesse der Schwarzwälder Stockuhrenmacherei Einiges über den Betrieb dieses Geschäftes in Paris erzählt. Wir wollen nun auch den Gewichtuhrenmachern das Bild einer ihnen nahe stehenden sehr beachtenswerten Conkurrentin geben, die nicht in einer großen Stadt, sondern auch in den Bergen wohnt. Morez (im Departement du Doubs) mit seiner Umgebung ist der Sitz der Fabrikation der sog. Franche=Comte=Uhren, jener soliden eisernen Gewichtuhren, welche in Frankreich, Belgien, Spanien, Italien ( namentlich in Savoyen), auch in Hannover sich ein so großes Marktgebiet verschafft haben und dadurch dem Absatz der Schwarzwälder Uhren so gefährlich geworden sind.
Die unwirthlichen Höhen, die steilen Abhänge und die schmalen Wiesengründe des Jura erlauben nur dürftig Viehzucht, Ackerbau ist kaum möglich, große Städte sind fern, ebenso bedeutende Handelsstraßen. Es ist daher das industrielle Volk, welches sich in all diesen Naturhindernissen einen in die Augen fallenden Wohlstand gegründet hat, unserer besonderen Aufmerksamkei werth.
Für den Schwarzwald ist namentlich zu beachten, daß in Morez eine gegliederte Arbeitstheilung vorhanden ist und daß die Kraft des Wassers zum Betrieb von Maschinen, welche den größten Theil der Arbeit bei der Verfertigung der Uhren besorgen, verwendet wird. Das sind zwei Hauptpunkte, in welchen der Schwarzwald noch Fortschritte zu machen hat, will er nicht von Tag zu Tag mehr von seinem Marktgebiet verlieren und sich von Conkurrenten für immer überflügelt sehen.
Nicht bloß im allgemeinen Betrieb, sondern in dem speziellen Fache, um das es sich hier handelt, in der Fabrikation e i s e r n e r U h r e n, sollte der Schwarzwald jene Gegend nachahmen. Der Uebergang von der Fabrikation von Schwarzwälder Uhren zu jener von eisernen Uhren ist nicht schwer, denn der Unterschied besteht in der Hauptsache nur darin, daß die sog.Comte=Uhr ein eisernes Gestell statt des hölzernen der Schwarzwälder Uhr hat.
Mit einem mäßigen Capital, bei zweckmäßigen Einrichtungen und leicht zu vermittelnder Arbeitstheilung dürfte es einem unternehmenden Manne auf dem Schwarzwald ohne Schwierigkeit gelingen, bei der Fabrikation eisernen Uhren einen schönen Verdienst zu machen; einen bessern immerhin, als bei der Schwarzwälder Uhrmacherei, denn man darf nie vergessen, daß die Welt immer Neues will, daß dieses besser bezahlt wird, als ein Artikel, den man längst kennt und in dem durch übermäßige Produktion, durch mittelmäßige Arbeit die Preise von den Fabrikanten selbst schon so weit heruntergesetzt worden sind, daß der Verdienst kaum zum dürftigen Unterhalt mehr ausreicht.
In Morez und Umgebung beschäftigt man sich nicht bloß mit der Verfertigung von gewöhnlichen Uhren, auch Thurmuhren, Reiseuhren, Regulatoren mit und ohne Compensation werden dort verfertigt und neben vielen anderen Dingen aus Metall, überhaupt fast alle Sorten von Bewegungsmechanismen. Es mögen etwa 12,000 Personen dabei thätig sein, jährlich jene 60,000 Uhren, 20,000 Bratenwender, 3 Millionen Brillengestelle, 60,000 Zifferblätter etc. herzustellen, die von Morez aus verkauft werden.
Es sind Kaufleute, welche in Morez das Geschäft in Händen haben. Die eingeführte Theilarbeit erleichtert die Anfertigung, sichert ein gutes Fabrikat und mehrt den Verdienst.
Die Arbeit ist bei der Uhrenfabrikation in folgende Hauptgeschäfte abgetheilt:
1) DIE GESTELLFABRIKATION. Sie geschieht in einer in Ober=Morez befindlichen Fabrik, welche den ganzen Bedarf der Gestelle, Thürchen, Rückwände und Grundplatinen liefert. Die Pfeiler (Stötzle) werden von hierzu geeignetem Stabeisen abgeschnitten, die Zapfen zum Einniethen angedreht und die Zapfenlöcher für die Walzenräder durchgepreßt.
Die Thürchen, Rückwände und Grundplatinen schneidet man vom Eisenblech ab, preßt die nöthigen Löcher durch, prägt die Verzierungen zur Erzielung einer größeren Stabilität des ziemlich schwächern Bleches auf und setzt das Gestell zusammen.
2) DIE GIEßEREI. Die Gießhütten besorgen den Guß aller Messingtheile, das Abdrehen der Räder, das Feilen der Rechen und das Zahnen beider.
Die Schneken, Kloben, Zeigerhülsen, Büchsen und Butzen erhalten im Guß die richtige Form. Die Zeigerhülsen werden in der Gießhütte ausgebohrt; die übrigen Theile roh abgeliefert.
3) DIE TRIEBFABRIKATION. Die Triebe werden alle geschmiedet, im Uebrigen ist die Fabrikation die an andern Orten übliche.
4) DIE FABRIKATION ALLER EISERNEN UHRENTHEILE, wie Fallen und Warnungen, deren Wellen, Weiserstangen, Federn etc. Hierfür bestehen Schlosser= und Schmiedewerkstätten. Dazu kommt:
5) DIE UHRENKASTENMACHEREI.
6) DIE EMAILLBLÄTTER=FABRIKATION.
Der Betrieb des Geschäftes ist folgender:
Jeder Etablisseur hat einen vollständig ausgebildeten Uhrenmacher, welchem die technische Leitung des Geschäftes übertragen ist.
Die Gestelle und alle übrigen Uhrentheile werden von den sich mit ihrer Anfertigung befassenden Fabriken oder Arbeitern gekauft und an Arbeiter abgegeben, welche die Räder auf die Triebe setzen, die Zapfen andrehen, das Einstellen der Räder besorgen und das Ganze wieder dem technischen Chef zurückgeben.
Dieser überläßt nun das Werk einem weiteren Arbeiter, der das Schlagwerk mit der Repetition in Ordnung bringt, den Gang macht, sämmtliche Räder und übrigen Theile poliert und das Gestell lackirt.
Der Geschäftsführer selbst macht endlich das Zifferblatt, die Zeiger und die Glocke auf, regulirt die Uhr und setzt sie in den Kasten.
Der Verkauf dieser Uhren in Frankreich geschieht beinahe durchweg mit Kästen.
Für die Versendung wird die Uhr immer besonders verpackt, und der Kasten, in einzelne Theile zerlegt, verschickt.
Obwohl ein bedeutendes Quantum solcher eisernen Uhren angefertigt wird, findet man doch nur eine einzige Sorte, welche sich hinsichtlich ihrer Größe in zwei Arten, nämlich in 9'' und 10'' theilt.
Es ist klar, daß durch diese Beschränkung in den Sorten nicht nur die Anschaffung von Maschinen und Werkzeugen außerordentlich vermindert wird, sondern, daß die Arbeiter mit den Größenverhältnissen der einzelnen Theile und mit ihren Arbeiten endlich so vertraut werden, daß alles messen und Probiren überflüssig wird.
Eine 9'' Franche=Comté=Uhr (ohne Kasten) wird mit 7fl. bis 9fl.20kr. (15 bis 20 Franken) und eine von 10'' mit 10fl.4 kr. bis 11fl.40kr. (23 bis 25 Franken) bezahlt.
Der Verkaufspreis eines Kastens ist gewöhnlich 2fl.48kr bis 3fl.44kr. ( 6 bis 8 Franken ).
Rohwerke und fertige Uhren dieser Art sind bei der Uhrenmacherschule vorhanden. Sie können dort eingesehen und auch an gute Meister, welche zur Anfertigung von eisernen Uhren Lust haben, leihweise als Muster abgegeben werden.
Wir wünschen, daß diesem Gegenstande die gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werde und sind unsererseits bereit, bei der Ausführung eines hier einschlagenden Erfolg versprechenen Unternehmens mit Rath und That an die Hand zu gehen."
In meinem Band 2, *Geschichte der Comtoise Uhr * von 2009 habe ich diese Quelle bereits auf den Seiten 79 - 81 zitiert: