8. Zifferblatt gesamt

Haut Jura Typ Comtoise, die gemäß Aussehen stilmäßig um 1740/50 einzuordnen wäre.

     Bei näherer Betrachtung entpuppt sich diese Uhr jedoch als Fälschung.

     Alle Teile sind neu, d.h. vielleicht max. 10 bis 20 Jahre alt,  mit Ausnahme der beiden

     Räderwerke von Geh- und Schlagwerk aus dem 19. Jahrhundert, die jedoch für den

     Werkkäfig passend gemacht wurden.

     Bei den beiden oberen und unteren Käfigplatten handelt es sich um gewalztes

     Stahlblech von 2 mm Stärke. Bei Originaluhren dieser Zeit wären diese Bleche

     geschmiedet, d.h. die Materialstärken könnten nicht einheitlich 2 mm sein, sondern

     würden Abweichungen aufweisen, die teilweise mehr als 1 mm betragen könnten.

     Die Käfigpfeiler sind mit 12,7/12,8 mm Stärke ca. 1 mm stärker als übliche Pfeiler aus

     der Zeit. Der Kamin wurde mit alten Zollschrauben des 19. Jahrhundert befestigt, die in

     metrische 3 mm Gewinde der oberen Käfigplatte eingedreht wurden. Die Zollgewinde

     der Schrauben wurden dabei abgeflacht.

     Die Räderwerke, also Geh- und Schlagwerk, stammen aus der Zeit um 1840/1850. Die

     Platinen wurden unten gekürzt, d.h. die Gabelung des Fußes wurde entfernt, um den

     Anschein einer sehr frühen Comtoise Uhr zu erlangen. Nur bei extrem frühen Comtoise

     Uhren, d.h. bei Uhren aus der Zeit von vor 1700 bis ca. 1710/1720, sind die Füße der

     Platinen noch glatt und weisen keine Verbreiterung, d.h. einen Fuß, auf. Ganz auffällig

     ist jedoch die Tatsache, dass die 4 Platinen nicht mit entsprechenden Punkten

     gekennzeichnet wurden. Im 18. Jahrhundert musste für jedes gefeilte Außengewinde

     einer Schraube das entsprechende Innengewinde in einer Platinen oder in einer Mutter

     individuell gefertigt werden. Damit es nicht zu Verwechslungen kam, wurden die

     Platinen und auch die Schrauben entsprechend mit Punkten gekennzeichnet.

     Die 4 zylinderförmigen, großen Schraubenköpfe ( auch die beiden, die den Kamin

     halten ) sind typische Exemplare des 19. Jahrhunderts. Im frühen 18. Jahrhundert wären

     diese Schraubenköpfe der Platinen entweder eckig ( sehr früh ), tropfenförmig oder

     halbrund ( nach 1720/1730 ) gewesen.

     Das Schlagwerk besaß ursprünglich eine gewichtsbelastete Schlagwerkauslösung, die

     jedoch entfernt und durch eine federbelastete Auslösung ersetzt wurde, wie im 18.

     Jahrhundert üblich. Die entsprechenden Löcher und Aussparungen in den beiden

     Platinen sind noch vorhanden bzw. wurden geschlossen.

     Das Gehwerk war ursprünglich mit 2 Zeigern versehen. Um das Gehwerk auf nur einen

     Zeiger umzubauen, musste der Halter für die Zeigerachse, Stundenrad und

     Schlagwerkauslösestern angefertigt werden.

     Dieser Halter wurde aus 2 Metallteilen zusammengesetzt und vernietet. Originalhalter

     aus der Zeit sind üblicherweise geschmiedet. Stundenstaffel und Auslösestern sind auch

     neu und keine Teile des 19. Jahrhunderts. Das Stundenrad besteht aus 1,2 mm starkem

    Eisenblech. Die Zahnfräsung zeigt frisches Eisenblech ohne jegliche Rostspur.

    Vergleichbare Original Stundenräder weisen immer Rost in den Verzahnungen auf. Das

    kleine Wechselrad wurde ebenfalls neu angefertigt. Stundenrad und Wechselrad weisen

    eine V –förmige Verzahnung auf, wie sie nur bei sehr frühen Uhren vorkommt. Alle

    anderen Räder der Uhr weisen jedoch eine Zykloidenverzahnung auf, wie bei den

    Comtoise Uhrwerken üblich.

    Wenn man seitwärts auf den Werkkäfig und in das Uhrwerk blickt, fällt sofort die große

    Tiefe des Käfigs bzw. des Abstands der Platinen auf. Dieser Abstand zwischen den 

    Platinen bzw. die Länge der Achsen ist mit 86 mm sehr groß. Bei Originaluhren aus der

    Zeit würde man durchschnittlich 70 mm bis 80 mm erwarten.  86 mm ist ein typisches Maß

    des 19. Jahrhunderts. Im 18. Jahrhundert um 1720/1740 würde man solche Abstände bzw.

   Achslängen nur bei sehr großen Uhrwerken erwarten, z.B. Uhren mit 3 und mehr Glocken.

   Durch die  Verwendung dieser Räderwerke des 19. Jahrhunderts wurde auch eine größere

   Tiefe des Werkkäfigs auf mehr als 150 mm notwendig, was sofort optisch auffällt. Höhe

    und Breite entsprechen den üblichen Maßen.

    Die Vernietungen der Käfigstreben sind sowohl an der oberen wie auch unteren

    Käfigplatte gut zu erkennen, denn sie sind rund und wurden nicht platt geschmiedet.

    Dieser Reprokäfig wurde nicht ‚geschmiedet’, wie die Käfig des 18. und 19.

    Jahrhunderts, sondern aus heutigem Standartmaterial gefertigt.

    Alle Eisenteile des Werkkäfigs, also auch Frontplatte, Rückplatte, Türen , Kamin usw.

    wurden mit einem schwarzen Lack überzogen, in welchem anscheinend Quarzsand

    eingestreut wurde, so dass eine pickelige Oberfläche entsteht, die Rostspuren unter der

    Lackschicht vortäuschen soll. Auch Eisenteile der Räderwerke sind teilweise mit brauner

    Farbe gestrichen, um Rost vorzutäuschen. Der mit Sicherheit bei diesem Schlagwerk 

    Ursprünglich  vorhandene 4-flügelige Windflügel wurde durch einen 2-flügeligen aus Eisen

    ersetzt, denn im frühen 18. Jahrhundert gab es ausschließlich Windflügel aus Eisen.

    Alle Messingzierteile der Front sind neu, teilweise aus unterschiedlich starkem, gewalztem Messingblech. Wenn man mit einer Schieblehre die Materialstärke an zahlreichen Stellen misst, so gibt es keine Abweichungen. Bei Originalblechen des frühen 18. Jahrhunderts würden Abweichungen auftreten, da das Messingblech zu dieser Zeit auf die gewünschte Stärke gehämmert und nicht wie heute gewalzt wurde. Abweichungen der Materialstärken treten nur an den unterschiedlichen Teilen der Front auf, denn es wurden für die Anfertigung von Fronton, Zifferblatt, Zierecken und Filets ( Messingstreifen ) Messingbleche unterschiedlicher Stärke benutzt. Es darf unterstellt werden, dass dies bewusst gemacht wurde, um den Anschein der Fertigung des 18. Jahrhunderts  vorzutäuschen. Die Materialstärken des Frontons und der Filets beträgt 0,5mm, der Zierecken 0,4mm und der Schließer 0,7 mm, wobei bei den Schließern Abweichungen bis 0,05mm auftreten. Eine Materialanalyse würde vermutlich den Verdacht auf heutiges handelsübliches Messingblech der Qualitäten MS58 oder MS63 bestätigen.

Alle Messingteile sind einheitlich mit den gleichen Eisenschrauben befestigt. Die Durchmesser der Schraubenköpfe betragen 3,5mm mit einem sauber geschnittenem M3 Gewinde nach DIN. Im frühen 18. Jahrhundert mussten solche kleinen Gewinde von Hand gefeilt werden, da es zahnspanende Schneideisen noch nicht gab. Die M3 Gewinde der benutzen Schrauben sind natürlich viel zu groß im Vergleich zu Originalschrauben des frühen 18. Jahrhunderts. Die Gewindegänge einer Originalschraube des 18. Jahrhunderts wären mit einer nach DIN geschnittenen Schraube aus heutiger Zeit nicht vergleichbar. Die Gewindegänge wären viel breiter und flacher, die Gewindesteigungen wären größer, wie dies bei von Hand gefeilten Gewinden zu erwarten wäre.

Bei der Montage des Zifferblattreifs unterlief dem Hersteller dieser Uhr ein Fehler, denn nachdem er wohl 3 Befestigungslöcher in das eiserne Frontblech gebohrt hatte, stellte er wohl fest, dass der Reif optisch wohl nicht richtig positioniert war. Neben den bereits vorhandenen 3 kleinen Löchern wurden neue gebohrt und schließlich das vierte obere Befestigungsloch.

Die Messingteile wurde nicht von einer Person gefertigt, denn die Qualitäten der Ausführung der einzelnen Teile weisen erheblich voneinander ab. Der Zifferblattreif wurde von einem qualifizierten Graveur geschaffen, alle anderen Teile von einer anderen Person. Der qualifizierte Graveur hätte mit Sicherheit eine andere ‚Arbeit’ der Schließer und des Frontons abgeliefert.

Obwohl als Graveur qualifiziert und somit Lieferant einer sauberen Ausführung, wussten der Graveur oder sein Auftraggeber wohl nicht, dass die Balken der römischen Zahlen normalerweise in Längsrichtung ausgraviert wurden. Beim Zifferblatt dieser Uhr wurden die Balken jedoch in Querrichtung ausgraviert, und an sehr vielen Innenrändern der Balken sind die regelmäßigen Spuren des Gravierens als winzige Kerben zu erkennen. Bei Originalblättern des frühen 18. Jahrhunderts gibt es diese regelmäßigen Spuren nicht, außerdem sind die Verzierungen mit dem Handstichel ausgraviert. Die regelmäßigen Spuren in den Balkenrändern sowie die exakte Ausführung der Kreise deutet auf eine maschinelle Gravur hin. Die kleinen Sterne der Halbstundenanzeigen sind in das Blech geschlagen, vermutlich mit Ritzelstangen. Ritzel von Trieben werden üblicherweise heute als Stangen gefräst und eine solche Ritzelstange wurde dann als Punzierungswerkzeug für die Fertigung dieser kleinen Sterne benutzt. Durch Licht-Schatteneffekte kann man erkennen, dass das Messingblech an den Stellen der kleinen Sterne in Folge der notwendigen Hammerschläge verformt ist.